Buch- und CD-Tipps

Lesen und Hören

von Heidemarie Egen

CD-TIPP

Musikalische Winterreisen

In diesem Jahr feiert die Lautten Compagney Berlin ihr vierzigjähriges Bestehen! Das Ensemble hat sich große Wertschätzung durch seine Aufführungen Alter Musik verdient. Musiker und Sänger begeistern das Publikum weltweit. „Winter Journeys“, vom Dirigenten mit „Musik auf dem Weg nach Hause“ ergänzt, ist eine ganz besondere Aufnahme. Reisen im Winter ist naturgemäß beschwerlich und voller Gefühlsschwankungen durch Naturbilder, Einsamkeit, Weihnachten, Sehnsucht nach dem Frühling, Vogelgezwitscher. Der Lautten Compagney ist es gelungen, passend zur Jahreszeit, einen musikalischen Genuss zu präsentieren!

Lautten Compagney Berlin, „Winter Journeys“, Deutsche Harmonia Mundi 2023, 19,99 Euro

 

BUCHTIPP

Flucht auf dem Philosophenschiff

Eine Einladung zum 100. Geburtstag einer der bekanntesten europäischen Architektinnen des 20. Jahrhunderts erhält man nicht alle Tage. Der Österreichische Ingenieur- und Architekten-Verein veranstaltet zu Ehren der Jubilarin Anuok Perleman-Jacob ein festliches Abendessen. Auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin wird Michael Köhlmeier zur Feier eingeladen. Sein Ruf als Schriftsteller eilt ihm voraus, weshalb sie ihn bittet, ihr ganz privates Leben aufzuschreiben – keine Biografie, denn diese ist schon mehrfach veröffentlicht. Anouk-Perleman-Jacob nimmt den Autor mit auf die Reise in ihre Vergangenheit, die in die Anfangsjahre des 20. Jahrhunderts zurückführt, in die Zeit ihres Erwachsenwerdens in den Bürgerkriegsjahren, umgeben von ihren Eltern, Freunden in der unvergleichlich schönen Stadt St. Petersburg. Und hier endet 1922 das normale Leben. Mit ihrer Familie und zehn weiteren Personen wird sie auf das Philosophenschiff verfrachtet, das sie ins Exil bringen soll. Warum, wieso, wohin – keiner weiß es! Anouk Perleman-Jacob hat dies und noch vieles andere er- und überlebt. Ihr Leben bleibt bis zu ihrem Tod interessant und aufregend – dafür steht Michael Köhlmeier.

Michael Köhlmeier, „Das Philosophenschiff", Hanser Verlag 2024, 224 Seiten, 24 Euro

BUCHTIPP

Inspiriert von Wasser und Wellen

Zu den besonders beliebten Urlaubszielen gehört das Meer, Sehnsuchtsorte an Küsten und Stränden mit Blick übers Wasser zum weit entfernten Horizont. Wechselnde Stimmungen und Erscheinungsformen der Natur sind Glücksmomente für Menschen, die sich von Alltäglichem befreien, neue Gedanken und Ideen finden und andere Wege gehen wollen. Namhafte Autoren und Autorinnen haben am Wasser, vornehmlich im Ostseeraum, gelebt. Die Natur, das gesellschaftliche Umfeld, haben auf vielfältige Art ihre schriftstellerische Arbeit inspiriert. Daraus hat die Autorin Auszüge zusammengestellt, Biografisches hinzugefügt und Einblicke in ihr Leben und ihre Gedankenwelt geschaffen: So ist für Else Lasker-Schüler Kolberg die „Meereshauptstadt“; für George Grosz die Ostsee seine „Seelenlandschaft“; Max Frisch fühlt sich auf Sylt so „herrgöttlich“ wohl und Siegfried Lenz ist von den „schafwolligen Schaumkronen“ fasziniert. Heinrich Heine präsentiert sich kühn als „Hofdichter der Nordsee“ und Mendelssohn-Bartholdy wird zur Hebriden- Ouvertüre inspiriert. Charmante lesenswerte Geschichten!

Kristine von Soden, „Schreiben am Meer. Wo der Himmel größer ist“, Transit Buchverlag 2024, 160 Seiten, 18 Euro

BUCHTIPP

Eine kleine Philosophie der Gelassenheit

Das kleine Haus am Sonnenhang im Piemont ist nicht leicht zu erreichen. Abseits von den Verkehrswegen und Dörfern steht das steinerne kleine Landhäuschen mit Holzschuppen und Ziegenstall an einem terrassierten Sonnenhang. Um hinzukommen, muss man ein Bachbett durchqueren, bei Trockenheit und geschicktem Fahren geht’s auch mit dem Auto. Alex Capus hat es für ganz wenig Geld gekauft. Hier arbeitet er in den Sommermonaten, freut sich über häufige Besuche seiner Freunde und natürlich besonders auf die Aufenthalte seiner Freundin Nadja. Im nächstgelegenen Städtchen ist er rasch bekannt und akzeptiert worden, was für ihn spricht wie so manches andere. Der Jahreszeitenwechsel ist hier spürbar: Der Winter steht vor der Tür, draußen schneits, und drinnen wirds kalt. Also kauft er sich einen Kachelofen, in den er nach Bedarf Holz nachlegt, sich wohlig aufs nebenstehende Sofa fläzt und seinen Gedanken freien Lauf lässt. Was dabei rauskommt, lesen wir interessiert und bestens unterhalten in diesem hübschen Buch.

Alex Capus, „Das kleine Haus am Sonnenhang“, Hanser Verlag 2024, 160 Seiten, 22 Euro

BUCHTIPP

Das himmlische Kind

„Der Wind, der Wind, das himmlische Kind“, heißt es im Märchen! Alain Corbin erzählt von diesem Zauber, indem er die von Menschen im Laufe der Zeit gesammelten Erkenntnisse spannend zusammenfügt. Heute weiß man viel über Ursachen und Wirkungsweisen des unsichtbaren Elements. Das „himmlische Kind“ ist immer da, spürbar, mal als freundlich säuselnder Begleiter, mal als tobender, ja gefährlicher Rüpel. Er beherrscht das ganze Spektrum, vor allem akustisch. Man hört ihn, ist entsetzt über die Zerstörung, die er anrichtet und auch wieder geschmeichelt von zärtlicher Berührung. Beeindruckende Forschungsergebnisse helfen den Menschen, mit dem luftigen Element und seinen überraschenden Eigenschaften klarzukommen. Das Buch enthält sachliche und emotionale Schilderungen des Windes im Hochgebirge, im Flachland, in Wüstenregionen, an See- und Meeresufern und seinen Wirkungen auf Fauna und Flora. Im Ganzen dürfen wir aus allem die Erkenntnis ziehen: Nicht wir Menschen beherrschen den Wind, er beherrscht uns! Ein hochinteressantes Buch.

Alain Corbin, „Himmelsbesen und Höllentäler“, Marix Verlag 2023, 176 Seiten, 22 Euro

CD-TIPP

Tanzmusik aus sieben Jahrhunderten

Den Anfang dieses Albums macht natürlich ein Walzer, jedoch kein Wiener, sondern ein besonders romantischer von Schostakowitsch. Strenger wird‘s sogleich mit Saint-Saens „Danse macabre“, einem kurzen Schritt zu Prokofiev, zum „Pas de deux“ aus Schwanensee und leichtfüßig hin zu Mozart, Schubert, Bizet, Bartok und viele weitere Partien von berühmten Komponisten. In der 2. CD setzt sich die tänzerische Thematik durch die Jahrhunderte fort. Lassen Sie sich überraschen von den vielfältigen Musikstücken aus vergangenen Jahrhunderten, attraktiv und im wörtlichen Sinne bewegend bis heute, dank der großartigen Interpretation der Musiker!

Daniel Hope und Zürcher Kammerorchester, „Dance!“, Deutsche Grammophon 2024, 2 CDs, 22,99 Euro