Der mit den Zündhölzern spricht

Zeitreise mit Wolfgang Hannes

Mit dem Eiffelturm hat alles angefangen. Ich wollte irgendetwas werkeln, hab immer schon gerne mit meinen Händen gearbeitet – gegartelt zum Beispiel –, und Modelleisenbahn war nicht so meins. Da bin ich über ein Modell meines Bruders auf die Idee mit den Streichhölzern gekommen. Und hab gleich ein Großprojekt ins Auge gefasst: 12.470 Zündhölzer habe ich im Lauf von sechs Jahren zu einem Modell des Eiffelturms verbaut. Was sich so einfach in einem Satz zusammenfassen lässt, ist natürlich ein ganz schön langer Weg. Schauen Sie sich den Eiffelturm an: Dort gibt es etliche Rundungen zum Beispiel. Da musste ich mir erst etwas einfallen lassen. Zum Glück erinnerte ich mich daran, dass mein Vater früher unsere Holzski für den Einsatz wieder aufgebogen hatte, indem er sie in heißem Wasser aufweichte. So funktionierte das auch mit den Streichhölzern, und ich konnte die Bögen formen.

Auch die vielen Verstrebungen waren eine Herausforderung. Die Pläne für den Eiffelturm gab es beim Taschen-Verlag, der Gustave Eiffels Buchausgabe zur damaligen Weltausstellung 1889 neu aufgelegt hat, sodass ich mich daran orientieren konnte. Am kniffeligsten waren die Schrägaufzüge und Treppen in den jeweiligen Pfeilern des Turms, da musste ich winzige Teile verbauen, und man sieht es kaum, muss schon genau hinschauen. Grundsätzlich starte ich von unten nach oben, gehe aber ohne konkreten Plan vor, wie ich welche Aufgabe löse. Das ergibt sich dann zu gegebener Zeit. Vorher vorstellen kann ich mir das nie. Es kommt durchaus vor, dass ich mich mal verbaue, dann kommt die Faust zum Einsatz. Denn auseinandernehmen kann man das nicht mehr. Dafür klebt der Uhu zu gut.

Metall wird nicht verbaut

Apropos Uhu: Meine dafür benötigten Werkzeuge sind sehr überschaubar: drei verschiedene Pinzetten, ein Messer, Klebstoff, Bleistift, Lineal und etwas Schleifpapier. Mehr brauche ich nicht. Höchstens noch etwas zu trinken und ein paar Nüsse dazu. Metall ist in meinen Modellen übrigens keines verbaut, das verbiete ich mir. Nur das Riesenrad vom Wiener Prater, mein zweites Projekt, besitzt einen Kettenantrieb, damit es sich drehen kann. Für dieses Dreißigeck habe ich ausnahmsweise mal Schaschlikspieße verwendet. Und die Waggons sind die einzigen bemalten Bestandteile meiner Modelle, denn mir gefällt die Struktur der Hölzchen und deren Beschaffenheit. Zwei Waggons gibt es sogar mit Inneneinrichtung – eine wirklich fitzelige Angelegenheit!

Prater-Riesenrad

Eiffelturm

Tower Brigde

Nach dem Riesenrad, das mich drei Jahre Zeit gekostet hat, wollte ich unbedingt weitermachen. Das macht irgendwie süchtig, das Bauen. Und auch wenn viele zu mir sagen: „Wo nimmst du nur diese Geduld her?“ – mich beruhigt das ungemein, das ist fast wie Meditation. Also habe ich mich an die Tower Bridge gemacht. Puh, das war nicht einfach, eine solche Klapp- und Hängebrücke mit Streichhölzern darzustellen. Aber ich arbeite ja immer nur daran, wenn ich grade Lust dazu habe. Deswegen kann es auch mal länger dauern oder Unterbrechungen geben. Irgendwann zieht es mich dann wieder an meinen kleinen Arbeitsplatz zurück, und es geht weiter. Für die Tower Bridge und das Riesenrad hatte ich keine Konstruktionspläne. Die wollten sie aus Angst vor Anschlägen nicht herausrücken. Also musste ich viel recherchieren.

Eine Do X zum Jubiläum

Inzwischen sitze ich an Projekt Nummer vier: das Flugschiff Do X, seinerzeit das weltgrößte Flugzeug, das nur kurz – 1929 bis 1934 – im Einsatz war. Das hat mich gereizt, weil es einen Bezug zur Gegend hier hat: Dornier ist ja in Friedrichshafen ansässig. 2029 feiert der Erstflug der Do X sein 100-jähriges Jubiläum – wenn alles gut geht, wird mein Modell dann dafür mit ausgestellt. Und danach? Also, ich träume ja eigentlich noch von der Golden Gate Bridge … Aber die müsste man schon ordentlich groß bauen, damit die Einzelheiten zur Geltung kommen. Mal sehen. Erst mal eins nach dem anderen.

Technische Details: Original / Nachbau

Bauzeit: 18871889 / 20102016
Material: 18.038 vorgefertigte Metallteile, 2.500.000 Nieten / 12.470 Zündhölzer, 29 Tuben Uhu
Anstrich: 60 Tonnen Farbe / 2 Dosen Sprühklarlack
Treppenstufen: 1665 / 800
Abstand zwischen den Füßen: 72,25 m / 0,31 m
Gesamthöhe heute: 324 m / 1,4 m
Tragfähigkeit 1. Plattform: 3000 Personen / nicht erprobt

Technische Details: Original / Nachbau

Bauzeit: 18961897 / 20172020
Material: Stahl, Holz, Glas / 10.620 Zündhölzer, 290 Schaschlikspieße, 29 Tuben Uhu
Durchmesser Rad: 60,96 m / 0,65 m
Gesamthöhe: 64,75 m / 0,71 m
Umlaufzeit: 255 Sekunden / 13 Sekunden

Technische Details: Original / Nachbau

Bauzeit: 18861894 / 20202022
Material: Stahlkonstruktion mit Sandsteinverkleidung / 5480 Zündhölzer, 4 Zahnstocher, 8 Schaschlikspieße, 6 Großtuben Uhu
Gesamtlänge: 244 m / 0,83 m
Höhe der Pfeiler: 65 m / 0,3 m

Wolfgang Hannes lebt mit seiner Frau seit knapp fünf Jahren im Augustinum Meersburg. Er besteht darauf, seine sehr ästhetischen Gebilde nicht Kunst zu nennen, sondern Handwerk. Ein Modell (derzeit der Eiffelturm) ist immer im Foyer des Augustinum Meersburg ausgestellt.