Wenn Träume zu Mutmachern werden, wenn sie Hoffnung geben und an das Gute glauben lassen, dann ist ganz oft Musik im Spiel. In Liedern und Konzertstücken werden Träume lebendig, aber sie verleiten uns auch dazu, unseren Gedanken und Sehnsüchten nachzuhängen. Eine kleine Auswahl aus Klassik und Pop zum Hören und Träumen.
Imagine
Die Friedenshymne ist der bekannteste Song von John Lennon, am 11. Oktober 1971 veröffentlicht; ein Appell gegen Krieg, Hunger, Besitzgier, ein Appell für Frieden und ein brüderliches Miteinander aller Menschen. Was viele nicht wissen: Die Beteiligung von Lennons Ehefrau Yoko Ono an der Ballade war erheblich. Lennon selbst gab in einem Interview zu: Der Song „sollte als Lennon/Ono-Song gewertet werden. Vieles davon – der Text und das Konzept – stammt von Yoko, aber in jenen Tagen war ich etwas egoistischer, etwas machohafter, und ich habe ihren Beitrag irgendwie weggelassen, aber es war direkt aus [Yoko Onos Buch] ‚Grapefruit‘.“ 2017, 46 Jahre nach Veröffentlichung von „Imagine“, wird Yoko Ono schließlich von der National Music Publishers Association, der Gesellschaft der Musikverleger in den USA, als Co-Autorin des Songs anerkannt – just imagine!
Frühlingstraum
„Fremd bin ich eingezogen, / Fremd zieh ich wieder aus“, stellt der Protagonist am Anfang von Franz Schuberts Liederzyklus „Winterreise“ ernüchtert fest: „Nun ist die Welt so trübe, / Der Weg gehüllt in Schnee.“ Er verlässt das Haus seiner Liebsten, die Beziehung ist gescheitert. Vor ihm liegt ein beschwerlicher Weg durch Kälte und Einsamkeit, den er in 24 meist melancholischen Liedern nach Texten von Wilhelm Müller zu bestehen hat. Mittendrin aber, beim elften Lied, verändert sich kurzzeitig (auch musikalisch) die fröstelnde Grundstimmung: Der Reisende hat einen Frühlingstraum. Im tiefsten Winter träumt er von bunten Blumen, grünen Wiesen und lustigem Vogelgeschrei. Doch auch hier folgt wie so oft im Leben auf den süßen Traum das böse Erwachen: Kalt ist es, finster, und die Raben schreien vom Dach. Das träumerische A-Dur wechselt in der zweiten Strophe ins bedrückende e-Moll. Der Traum ist aus, möchte man meinen. In diesem einen Gedicht aber, wie auch im Lied, siegt dieses Mal der schlaftrunkene Träumer über den aufgeweckten Realisten: „Die Augen schließ′ ich wieder, / Noch schlägt das Herz so warm. / Wann grünt ihr Blätter am Fenster? / Wann halt′ ich mein Liebchen im Arm?“ Es gibt noch Hoffnung.
Liebestraum
Selbst auf seinem Sterbebett soll der Vater von Franz Liszt noch besorgt gewesen sein, dass Frauengeschichten die musikalische Karriere seinen begabten Sohnes behindern werden. Ganz unbegründet war seine Sorge nicht: Zeit seines Lebens faszinierten das einstige Wunderkind gebildete, exzentrische und manchmal auch überdrehte Frauen. Einige Affären und flatterhafte Beziehungen werden ihm nachgesagt. Die beiden wichtigsten Frauen in seinem Leben, Marie d‘Agoult und Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein, verließen sogar ihre Ehemänner, um mit Liszt in wilder Ehe zusammenzuleben. Eine Ahnung des Zaubers, der von dem Pianisten und Komponisten ausgegangen sein muss, vermitteln heute noch seine Werke. Sein Liebestraum Nummer 3 zum Beispiel, ein solistisches Klavierstück in Nocturne-Form, berührt mit seiner sanften, gleichzeitig energiegeladenen Melancholie jedes Herz, das noch nicht ganz versteinert ist. Liszts wohl populärstes Klavierstück basiert auf einem Gedicht von Ferdinand Freiligrath: „O lieb’, so lang du lieben kannst! / O lieb’, so lang du lieben magst! / Die Stunde kommt, die Stunde kommt, / Wo du an Gräbern stehst und klagst!“ Traumhaft hat Liszt diese wehmütigen Zeilen in eine zeitlose musikalische Form gegossen.
Sweet dreams
Es ist der Beginn einer Weltkarriere: 1983 scheibt das Duo Eurythmics – Annie Lennox und Dave Stewart – den Song „Sweet Dreams (Are Made of This)“. Und das in nur einer halben Stunde. Stewart programmiert den Beat auf dem Drum-Computer, Lennox spielt dazu auf dem Keyboard, schließlich kommt noch der Text hinzu – fertig ist der weltweite Top-Ten-Hit. „Sweet dreams are made of this“ („Daraus entstehen süße Träume“) lautet eine Zeile im Text – laut Dave Stewart der am häufigsten missverstandene Text in der britischen Pop-Musik; in einem Interview äußert er: „People think I’m singing, 'Sweet dreams are made of cheese.'" (“Die Leute denken ich singe: ‘Süße Träume werden aus Käse gemacht’.”) Was hören Sie heraus?
I have a Dream
Das ist nicht nur der Titel einer epochalen Rede von Martin Luther King, sondern auch der Name eines ABBA-Hits aus dem Jahr 1979. Die Folk-Ballade wurde im Dezember 1979 als Weihnachtsüberraschung aus dem Album „Voulez-Vous“ ausgekoppelt. Die Besonderheit des von Benny Andersson und Björn Ulvaeus komponierten Songs: Nicht nur die ABBA-Sängerinnen Agnetha Fältskog und Anni-Frid Lyngstad sind zu hören, sondern auch ein Kinderchor. Lange habe man gezweifelt, ob der Einsatz eines Kinderchores nicht zu sehr dem Zeitgeist widersprechen würde, erinnert sich Björn Ulvaeus, aber „das war uns egal, und wir haben es gemacht. Der Chor passt gut zu der italienisch anmutenden Melodie, und der Text klingt positiv.“ Die Ballade wurde von zahlreichen Künstler*innen gecovert, und es gibt sogar eine deutschsprachige Version: 1983 sang Nana Mouskouri „Ich leb‘ im Traum“.