Inklusion mit Erasmus+: Schülerinnen und Schüler der Otto-Steiner-Schule des Augustinum unterwegs in Europa
Was ist Europa für mich? Wie sieht das Leben bei unseren europäischen Nachbarn aus? Kann ich dort vielleicht sogar Freunde finden? Am besten lassen sich diese Fragen beantworten, wenn man Europa bereist. Das allerdings ist für die Schülerinnen und Schüler der Otto-Steiner-Schule des Augustinum mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung keineswegs selbstverständlich. „Wir haben an unserer Schule einen hohen Anteil an Migration, die Familien sind häufig sozial benachteiligt und bildungsfern“, sagt Andrea Eichler, Leiterin der Schule im Münchner Stadtteil Hasenbergl.
Um auch diesen Kindern und Jugendlichen die Chance zu geben, Europa zu erleben, hat sich die Schule für das Förderprogramm der Europäischen Union Erasmus+ beworben – und wurde 2021 als Erasmus+-Schule akkreditiert. „Europa soll allen nahegebracht werden, und Erasmus+ selbst hat Inklusion als Priorität gesetzt. Trotzdem ist das für ein Förderzentrum geistige Entwicklung schon sehr außergewöhnlich“, betont Andrea Eichler. Über einen Zeitraum von sieben Jahren kann die Schule durch ihre Akkreditierung Gelder für Europa-Projekte abrufen und stand nach ersten Reisen 2023 in diesem Jahr ganz im Zeichen von Erasmus. Von April bis Juni fuhren insgesamt fünf Gruppen zum Austausch nach Portugal, Lettland, Spanien und Italien.
Die meisten sind noch nie ohne ihre Eltern verreist
Was für die meisten Jugendlichen heute normal ist, stellt die Schülerinnen und Schüler der Otto-Steiner-Schule mitunter vor große Herausforderungen: Die meisten sind noch nie ohne ihre Eltern verreist, kaum einer je zuvor in ein Flugzeug gestiegen, manche haben das erste Mal in ihrem Leben das Meer gesehen. Viel Unbekanntes, das manchen Angst gemacht hat, andere an ihre persönliche Grenze stoßen und über sich hinauswachsen ließ.
Eine gute Vorbereitung ist unabdingbar – für die das Erasmus-Programm bereits vor der eigentlichen Reise mehrere Bausteine vorsieht: Kurse für die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer in einer europäischen Partnerstadt dienen dem Austausch und dem Kennenlernen von Partnerschulen, im Anschluss gibt es während eines Job-Shadowing-Programms die Möglichkeit, die Gegebenheiten vor Ort genau zu untersuchen.
Und auch in der Otto-Steiner-Schule begannen die Vorbereitungen lange vor Reisebeginn: Die Berufsschüler*innen der Gastronomie haben deutsche Rezepte zusammengestellt, um ihren Gastgebern in Italien die deutsche Küche näherzubringen, die Riga-Gruppe hat in einem Crashkurs ein bisschen Lettisch gelernt, und die Spanien-Reisenden haben bereits in München fleißig Flamenco geübt.
Gemeinsamer Unterricht
Und dann wurde Europa ganz konkret mit Leben gefüllt: In Ubeda, Fuengirola und Caldas da Rainha, Civitavecchia und Riga saßen deutsche Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Mädchen und Jungen ihrer Gastgeberländer im Unterricht; einige stellten sich dort gleich in der Landessprache mit ihrem Namen vor. Sie trieben zusammen Sport, töpferten im portugiesischen Werkunterricht, buken Pizza in der italienischen Profiküche, tanzten spontan Flamenco an der Strandpromenade in Malaga und feierten mit den spanischen Schüler*innen ein gemeinsames Sommerfest in Ubeda. Die Sprache stellte dabei kein großes Hindernis dar; wenn das Schulenglisch nicht mehr ausreichte, half das Übersetzungsprogramm auf dem Handy – wodurch ganz nebenbei die Medienkompetenz geschult wurde.
„Die Reisen haben unsere Schülerinnen und Schüler selbstständiger gemacht und auf eine ganz neue Art auf das Leben vorbereitet“, sind sich die begleitenden Lehrerinnen und Lehrer einig. „Und sie tragen danach auch viel in die Schule hinein“, sagt Schulleiterin Andrea Eichler. „An unserer Schule gibt es mehr als 40 Nationen. Die Erfahrung unserer Erasmus-Schülerinnen und -Schüler bringt einmal mehr Offenheit und Toleranz in unsere Gemeinschaft. Wir sind froh, dass wir Europa noch bis 2027 in diesem Rahmen erleben dürfen.“ Weitere Reisen und Gegenbesuche sind bereits geplant.