Musikalische Oasen der Redaktion

Sieben melodiöse Oasen, in die sich die Redaktionsmitglieder gerne zurückziehen eine jede mit einer ganz persönlichen Anekdote verknüpft. Unterzieht man die Texte einer nüchternen Analyse, fällt auf, dass Wörter wie Kokon”,Geborgenheit” oder Sehnsucht” mehrfach auftauchen. Was schon eine Menge über die Qualität von Oasen aussagt, finden wir.

Zum Mond tanzen

Bettina Schumann-Jung

Musik wird für mich besonders dann zur Oase, wenn sie mit Bewegung verknüpft ist, am schönsten beim Tanz und am allerschönsten bei einem Slowfox. Es gibt viele fantastische Songs zu diesem fließenden eleganten Tanz, Stücke, die auf die Jazz- und Swing-Ära der Zwanziger- und Dreißigerjahre zurückgehen, geeignet dazu, durch einen Ballsaal zu schweben. Oder noch weiter. Vielleicht sogar bis zum Mond. „Fly me to the Moon“ war in der Ursprungsversion von 1954 von Bart Howard im 3/4-Takt unter dem Titel „In other words“ veröffentlicht worden. Den Slowfox tanzt man aber nach der Fassung von Frank Sinatra, die dieser zehn Jahre später mit der Count-Basie-Band im 4/4-Takt aufnahm. Diese Aufnahme war auch Teil der Musikkassette, die die Astronauten des Raumschiffs Apollo 10 während ihres Fluges in die Mondumlaufbahn abspielten. Und den Astronauten von Apollo 11 wurde sie bei ihrem Mondlandeflug per Funk an Bord übermittelt. Ganz schön erhebend, wie eben auch der Tanz dazu. Und das funktioniert sogar noch im Anschluss an die Tanzstunde. Selbst im Novemberregen auf dem Weg zur U-Bahn nach Hause klingt der Song nach: Fly me to the moon, let me play among the stars …

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„Wummern und schreien“

Mirjam Meßmer

Freitag ist der Tag in der Woche, an dem meine Nachbarn stark sein müssen und ich für etwa zwei Stunden auf Toleranz hoffe. Mein Wochenende beginnt in der Regel freitags gegen 17 Uhr. Wenn es gut läuft, sind alle Aufgaben, die ich mir für die Woche vorgenommen habe, erledigt – dies gelingt nicht immer. Ich arbeite viel zu Hause, was dem Abschalten in der Freizeit nicht sehr zuträglich ist. Für ein unbeschwertes Wochenende habe ich mir ein – im wahrsten Sinne – reinigendes Ritual angewöhnt: Es startet mit Badputzen! Definitiv eine Pflicht, Freude bereitet mir nur das Ergebnis. Also benötige ich Unterstützung, die zwei Ziele erreichen sollte: Arbeitsthemen raus aus meinem Kopf und Ablenkung von der notwendigen, aber ungeliebten Aufgabe des Putzens. In der Musikanbieter-App meines Vertrauens warten mehrere Playlists, die ich für diesen Zweck angelegt habe. „Sabotage“ von den Beastie Boys und „Piano Man“ von Billy Joel sind in jeder Liste vertreten – mit welchem der beiden Titel ich starte, bestimmt meine aktuelle Laune. Smartphone und Lautsprecher miteinander verbunden, Letzterer im Badezimmer platziert, mit Reinigungsmitteln und Putzlappen bewaffnet, mache ich mich ans Werk. Musik auf volle Lautstärke – und ich singe ebenso lautstark jeden Song mit. Nicht immer textsicher und zum Leidwesen meiner Nachbarn kein bisschen gut. Das – nennen wir es „Singen“ – und die laute Musik entreißen mich dem Alltag. Solange die Playlist andauert, spielt Zeit keine Rolle. Staub und Kalk haben keine Chance, und mit Leichtigkeit werden sämtliche kleine Fläschchen und Tübchen aus dem Regal heraus- und wieder hineingeräumt. Beim Nachhausekommen begrüßt mich mein Partner regelmäßig mit „Man hört dich im ganzen Treppenhaus“. Fliesen, Spiegel und Armaturen strahlen mir entgegen – einmal klischeehaft „Shiny Happy People“ von REM in voller Lautstärke (aus der Lautsprecherbox und aus der Kehle), und einem gut gelaunten Wochenende steht nichts im Wege. Und die Nachbarn haben wieder Ruhe. Bis zum nächsten Freitag.

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Mittags-Oase

Matthias Steiner

15 Minuten zum Ende meiner Mittagspause – das ist an Bürotagen immer wieder meine kleine Oase, an der ich den Kopf frei bekomme, mir neue Frische hole für die Aufgaben des Nachmittags. 15 Minuten mit Musik – die mir gerade in den Sinn kommt, die ich am Tag zuvor in einem Laden gehört oder an die ich mich vorhin in einem Gespräch nach langer Zeit wieder erinnert habe. Schnell gefunden in meiner Musikstreaming-App auf dem Handy, vom Handy auf meine Bluetooth-Soundbox geschickt – schon bin ich mitten in meiner Oase. Jüngst zum Beispiel habe ich bei Procol Harum getankt, einer britischen Band, die 1967 mit „A Whiter Shade of Pale“ ihren größten Hit gelandet hat. Eine ganz eigene Mischung aus rockigem Pop und Bach-Anklängen von der Orgel. Hatte ich lange nicht gehört. Aber sofort wieder im Ohr, als ich ein Sakko aus der Reinigung holte und der Song dort im Radio lief. Verrückt und schön, entspannend und belebend, jetzt auch im Büro. Klingt, als gäbe es an der Oase nicht nur Wasser …

 

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Allgemeine Verunsicherung

Solveig Michelsen

Als Tochter eines Hamburgers und einer Österreicherin bin ich zwischen zwei kulturellen Stühlen aufgewachsen. Pardon, Sessel würde man in Österreich sagen. Ob’s an der klassischen Rollenverteilung lag, ist schwer zu beurteilen; Familiensprache – und damit meine Muttersprache – ist jedenfalls das Österreichische geworden. Kompliziert wurde es erst mit Umzug und Schuleintritt in Bayern: In den 1980er Jahren waren Dialekte verpönt, im Unterricht mussten wir auf Hochdeutsch antworten – und dass man mit einem oberösterreichischen Slang nicht immer ernst genommen wird, habe ich mit meinen sechs Jahren schnell gemerkt. Fortan hieß es also: daheim österreichisch, in der Schule und mit Freundinnen hochdeutsch reden. Geblieben ist eine enge Verknüpfung des Österreichischen mit sehr viel Positivem: Aus Österreich war meine Mutter, dort haben wir regelmäßig Verwandte besucht, und dort fühlte ich mich immer willkommen und geborgen. Das Heimweh meiner Mutter hat zusätzlich zur Verklärung dieser Wurzel beigetragen. So waren alle Anzeichen des Österreichischen – eine gelbe Straßenmarkierung, eine Tabaktrafik oder eben ein österreichischer Song – wunderbare Oasen für mich, in denen ich verweilen wollte. Viel mehr als auf den Sinn des Textes kam es bei den Liedern dabei auf die Sprachfärbung an. Eine indirekte Oase, eine „Fata Morgana”, hat die in ihrer Ironie oft verkannte österreichische Band Erste Allgemeine Verunsicherung 1985 besungen:
 

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Schläfst du noch?

Christian Topp

An meinem 12. Geburtstag bekam ich von meiner Mutter ein Konzert-Abo geschenkt. Das bedeutete: Ab jetzt konnte ich acht Mal pro Spielzeit donnerstagabends im etwas überdimensionierten Theater dem Symphonieorchester unserer kleinen Großstadt zuhören. Vor allem die Aussicht, an solchen Abenden deutlich später als üblich ins Bett gehen zu dürfen, stimmte mich damals euphorisch. Doch die ersten Konzertbesuche waren ein wenig ernüchternd. Nur selten war ein Stück so kurzweilig wie die Carmina Burana oder so aufregend wie Beethovens Klavierkonzerte. Manch eine alte Sinfonie strapazierte das ungeübte Ohr vor allem mit Langeweile. Aber auf dem harten roten Klappstuhl in Reihe 7 machte ich schon bald eine Erfahrung, die mich bis heute begleitet: Auf den Flügeln der Musik begannen meine Gedanken zu schweben. Ganz heiter konnte ich über dieses und jenes nachdenken, Pläne machen, Probleme lösen oder mich einfach ziellos von einem Gedanken zum anderen treiben lassen. Nach einiger Zeit dann landete ich automatisch wieder bei der Musik und konnte beispielsweise feststellen, wie gelungen Gustav Mahler im dritten Satz seiner ersten Sinfonie die Melodie des Kanon „Bruder Jakob“ verarbeitet hat.

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Born at the Right Time

Judith Eisermann

1990 brachte Paul Simon sein Album „The Rhythm of the Saints“ heraus, Nachfolger seines Millionensellers „Graceland“. Simon greift für den „Rhythmus der Heiligen“ die Musik schwarzer Sklaven aus Westafrika auf, folgt ihrem Weg über die Karibik bis nach Nordbrasilien. Ich entdeckte das Album erst Ende der 1990er Jahre, mein Patenonkel hatte es mir geschenkt. Es traf mich in einer schwierigen Phase des Übergangs: Die Schule war beendet, und ich wusste nicht so richtig, wie es weitergehen konnte. Und da hörte ich zum ersten Mal „Born at the Right Time“. Der Refrain traf meine damalige Stimmung sofort und gab mir ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit – schuf einen Kokon, eine Oase der Ermutigung und des Zuspruchs: „Never been lonely / Never been lied to / Never had to scuffle in fear / Nothing denied to / Born at the instant / The church bells chime / And the whole world whispering / Born at the right time“. („War nie einsam / Wurde nie belogen / Musste nie ängstlich kämpfen / Nichts wurde verweigert / Geboren in diesem Augenblick / Die Kirchenglocken läuten / Und die ganze Welt flüstert / Geboren zur rechten Zeit.“) Die Strophen erzählen vom biblischen Moses und später von einem kleinen Mädchen, die beide trotz aller Widrigkeiten zur richtigen Zeit geboren worden waren. Was für ein großes Glück: Das Leben wird uns genau in dem Moment geschenkt, in dem die Welt uns braucht!

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Und die Seele fliegt mit

Alexander Schweda

Es gibt einfach so Sehnsuchtsbilder. Die steigen mit einem auf wie ein Schmetterling. So leicht, und manchmal auch mit einem Schuss Traurigkeit. Ich erinnere mich, wie ich mit einem Glas Rotwein abends auf der Terrasse saß und mir die Live-CD von Udo Jürgens und seinem letzten Zürich-Konzert anhörte. Mit Kopfhörern. Und dann kam dieses Lied von dem Jungen und seinem Vater, der sich wünscht, seinem Sohn einen großen Besitz als Erbe zu hinterlassen. Aber: „Ich weiß nicht, ob ich das will“, singt der Junge und schiebt nach: „Ich möcht’ mit dir einen Drachen bau’n …“ Wieso mich das so gerührt hat, weiß ich auch nicht so genau. Aber ich habe das Lied x-mal nacheinander gehört. Und es versetzte mich in einen Wattebausch aus Kindheitserinnerungen und -sehnsüchten nach den kleinen Dingen des Lebens, die doch so groß sind. Es hüllte mich in einen weichen Kokon inmitten einer rauen Umwelt. Ich lauschte in meiner Oase diesen Moll-Tönen auf dem Klavier, die sich mit Udo Jürgens’ Stimme nach oben in die Luft schraubten und dort weiterflogen. Ja, und die Seele fliegt mit. So schön kann Musik sein.
 

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