Mehr als 14 Millionen Kinder leben in Deutschland. Sie alle haben Bedürfnisse, Wünsche und Rechte, festgeschrieben vor allem in der UN-Kinderrechtskonvention. Dennoch ist die tatsächliche Einflussnahme von Kindern und Jugendlichen auf Politik und Gesellschaft immer noch gering. Oft sind es eher einzelne, die durch ihr überdurchschnittliches Engagement etwas bewirken – so wie die hier vorgestellten Mädchen und Jungen, die die Welt auf ganz unterschiedliche Art ein Stück besser gemacht haben.
Foto: Max Lautenschläger, Jugend forscht e.V.
Jugend forscht
„Forschung kennt kein Alter“, sagt Tara Moghiseh, und ist der beste Beweis dafür: 2019 gewann sie mit ihrer Arbeit zu KI in der Leukämiediagnostik den Bundeswettbewerb von „Jugend forscht“. Berührt durch die Geschichte eines an Leukämie erkrankten Mädchens, beschäftigte sie sich intensiver mit dieser Krebsart. Bei einem Praktikum in einem Hämatologie-Labor lernte sie, wie man Leukämie durch Differenzierung und Quantifizierung der Leukozyten im Blut diagnostiziert. Ein damals noch händisches Verfahren, dass sie mit künstlicher Intelligenz effizienter machen wollte. Sie entwickelte einen Leukozytenklassifikator, der anhand von tausenden Blutbildern lernte, Regelmäßigkeiten und Unterschiede zu erkennen – ein wertvoller Beitrag für die Labordiagnostik und für Tara der Beginn ihrer beruflichen Laufbahn. Heute studiert sie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg Medizin.
„Jugend forscht“ ist der bekannteste Nachwuchswettbewerb Deutschlands und hat schon etliche Talente wie Tara gefunden und gefördert: Seit 1965 sucht der Wettbewerb jährlich nach jungen Forschern in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Den Preisträger*innen winken nicht nur Geld- und Sachpreise, für viele ehemalige Teilnehmer*innen war „Jugend forscht“ auch der Beginn einer beachtlichen Karriere.
Foto: Ulf Petersen
Kinder vom Bullenhuser Damm
Wie können Schüler*innen sich heute nachhaltig mit Antisemitismus und Rassismus auseinandersetzen? An der Hamburger Brecht-Schule wurden die Verbrechen der Nationalsozialisten 2021 sehr konkret behandelt: Die Wanderausstellung der „Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm“ erinnerte an das Schicksal von zehn Jungen und zehn Mädchen, die kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs in der Schule am Bullenhuser Damm erhängt wurden, um die entsetzlichen medizinischen Experimente, die im KZ-Neuengamme an ihnen begangen worden waren, zu vertuschen. In diesem Umfeld entstand unter den Schüler*innen der Brecht-Schule die Idee, ein Mahnmal zu schaffen. Für die Umsetzung entwickelte der Bildhauer Ulf Petersen mit ihnen eine Idee für die Gestaltung: Mit Skizzen und Schattenspielen erarbeiteten die Jugendlichen Silhouetten von Kindern und übertrugen sie auf Pappe. Petersen gestaltete daraus das Mahnmal aus Stahlblech: vier spielende Kinder und ein negativ ausgeschnittener Umriss einer stehenden Figur mit gesenktem Kopf – Symbol für die Leerstelle, die die ermordeten Kinder hinterlassen haben, aber auch für das Engagement heutiger Schüler*innen.
Als Malala Yousafzai 2014 den Friedensnobelpreis erhielt, war sie gerade einmal 17 Jahre alt. Eine junge Frau aus Pakistan, die heute eine der bekanntesten Stimmen für das Recht auf Bildung ist.
Ihre Heimat, das Swat-Tal, wurde seit 2004 zunehmend von den Taliban beherrscht. Für Mädchen bedeutete das radikale Einschränkungen: Sie durften weder die Schule besuchen noch unverschleiert öffentliche Räume betreten. Im Bewusstsein dieser Ungerechtigkeit begann sie mit elf Jahren anonym ein Online-Tagebuch über ihren Alltag und ihre Sorgen für die BBC zu schreiben. Das machte sie international bekannt – und zur Zielscheibe der Extremisten. 2012 schoss ihr ein Taliban-Kämpfer in den Kopf und verletzte sie so schwer, dass sie in Großbritannien mehrfach operiert werden musste. Malala blieb in Birmingham, besuchte dort die Schule und setzte sich weiterhin für Bildungsgerechtigkeit ein. 2012 wurde in Zusammenarbeit mit der UNESCO der Malala Fund gegründet, um weltweit das Recht von Kindern auf Bildung durchzusetzen. Schon damals forderten verschiedene Initiativen, sie für den Friedensnobelpreis zu nominieren, den sie 2014 als mit Abstand jüngste Preisträgerin erhielt.
Bis heute engagiert sich Malala Yousafzai für Bildung – als Recht aller Menschen, aber auch als Schlüssel für Frieden und Entwicklung.
Fotos: oh
Kinder an die Macht
Armeen aus Gummibärchen, Panzer aus Marzipan, Kriege, die eben mal aufgegessen werden … Die Idee von Herbert Grönemeyers „Kinder an die Macht“ ist, wie es im Text weiter heißt, ein „einfacher Plan, kindlich genial“. Und genau so war der Song auch gedacht: als heitere Nummer auf dem ansonsten eher ernsten Album „Sprünge“, entstanden anlässlich der Geburt seines Neffen 1986. Dass „Kinder an die Macht“ dann Kinderpsychologen auf den Plan rief, die in dem Text eine idealisierte Vorstellung von Kindern als politische Akteure sahen – für Grönemeyer wurde der Song schlicht überinterpretiert. Seinen Erfolg hat die Diskussion ohnehin nicht geschmälert: 11 Wochen war das Lied in den Charts, gesungen wird es bis heute.
Die Idee von Jonte Mai ist ein so ungewöhnlicher wie kreativer Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Der junge Bremer ist seit seinem siebten Lebensjahr Imker. Klar, dass er sich da auch mit dem Aussterben der Wildbienen beschäftigte, und der Plan, selbst etwas für ihren Schutz zu tun, war nur die logische Konsequenz. Erstaunlicher war die Idee der Umsetzung, alte Kaugummi- oder Kondomautomaten zu Samenspendern umzubauen. Diese werden statt mit Kaugummis oder Kondomen ganzjährig mit regionalem und saisonalem insektenfreundlichem Saatgut, plastikfreien Bienenpralinen oder im Herbst mit Frühblühern befüllt. Mit einem Euro können so bis zu drei Meter Blühwiese entstehen. Und Jontes Engagement geht noch weiter: Seit 2021 gibt er in Workshops bundesweit sein Wissen weiter und unterstützt Kinder und Jugendliche dabei, eigene Projekte rund um einen Saatgutautomaten auf die Beine zu stellen. Außerdem hat er auf Youtube eine Bauanleitung hochgeladen, mit deren Hilfe man sich selber einen Samenspender bauen kann. Inzwischen gibt es Jontes Samenspender in ganz Deutschland und einigen Nachbarländern.
Laut UNO-Flüchtlingshilfe waren bis Ende 2024 weltweit mehr als 123 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung. Etwa 40 Prozent von ihnen sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Ihnen den Start in einem fremden Land zu erleichtern, ist das Anliegen von drei jungen Frauen, die inzwischen selbst vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen sind. Sofiia Tereshchenko, Anastasiia Feskova und Anastasiia Demchenko waren 16 und 17 Jahre alt, als Russland den Angriffskrieg gegen ihre ukrainische Heimat begann. Erschüttert von den Geschichten über ukrainische Flüchtlingskinder entwickelten die Mädchen zwei Apps, die Kindern auf der Flucht helfen, sich nach der Ankunft in einem neuen Land zurechtzufinden. „Refee“ will Kinder von vier bis elf Jahren mit wichtigen Informationen etwa zu Unterbringungsmöglichkeiten unterstützen. „Svity“ ist für Jugendliche ab 16 Jahren gedacht, um ihnen die Eingewöhnung und den Kontakt zu Gleichaltrigen zu erleichtern. Dafür wurden die jungen Ukrainerinnen 2023 mit dem Internationalen Kinder-Friedenspreis ausgezeichnet. Der Preis wird jährlich an Kinder vergeben, die sich in öffentlich sichtbarer und nachhaltiger Weise für Kinderrechte oder für die Verbesserung der Situation von benachteiligten Kindern einsetzen.