Glockenklänge über dem Heidelberger Emmertsgrund

Augustinum Heidelberg

Das Glockenspiel der Augustinum Seniorenresidenz erklingt mit Kompositionen eines Bewohners

Seit Dezember 2019 ist im Heidelberger Stadtteil Emmertsgrund wieder allabendlich das Glockenspiel des Augustinum zu hören. „Vor einigen Monaten konnten wir in Zusammenarbeit mit der renommierten Glockengießerei Bachert die alte, defekte Abspielmechanik durch eine neue digitale Steuerung ersetzen“, erzählt Direktor Uwe Hinze. Die 25 Glocken hängen in eigens angefertigten Glockenträgern über der Kapelle und sind kleiner als im Rathaus oder in Kirchen. „Heute können wir mit einem Keyboard Stücke aufnehmen, die digital gespeichert und mit einer Zeitprogrammierung abgespielt werden“, so Hinze. Dieses Keyboard spielt ein Bewohner des Hauses: Hans-Dieter Kamm, 80 Jahre alt, und begeisterter Komponist aller Stücke, die mit Ausnahme des Sonnabends täglich um 18 Uhr für einige Minuten über den Emmertsgrund schweben. Nur samstags nimmt das Spiel Rücksicht auf die katholische Gemeinde und erklingt erst um 19.45 Uhr. 

Insgesamt 196 Stücke hat Hans-Dieter Kamm, der seit drei Jahren im Augustinum lebt, selbst komponiert oder von anderen Instrumenten auf das Glockenspiel übertragen. „Jeden Monat spielen wir 15 Stücke im Wechsel, außer im Dezember, da erklingen die Glocken täglich mit neuen Melodien“, erzählt Hans-Dieter Kamm. Mal hat der Musiker klassische Stücke intoniert, mal ein Volkslied: Hans-Dieter Kamm hat das ganze Jahr durchdacht, und jedem Monat ein eigenes Motto gegeben. „Im Dezember spiele ich natürlich Weihnachtslieder, im Februar Tanzstücke, der Juni handelt von der Liebe und der August bringt Wanderlieder in den Emmertsgrund“, berichtet er von seinem Konzept. Hans-Dieter Kamm spielt die Stücke für den jeweils nächsten Monat auf dem Keyboard ein; Jakob Schellenberg, Haustechniker des Augustinum speichert sie und programmiert die automatische Wiedergabe.  

Für Hans-Dieter Kamm, der regelmäßig Orgelkonzerte im Augustinum gibt, war es eine ganz neue Erfahrung, mit einem Glockenspiel zu arbeiten und nicht mit einer Orgel oder einem Klavier. Denn ein Glockenspiel hat so seine Eigenheiten: “Man darf nicht denselben Ton zwei Mal hintereinander anschlagen wollen, das geht bei einer Glocke nicht. Die tiefen Glocken klingen zudem lauter als die hohen und länger nach. Das macht eine Begleitmelodie natürlich schwierig”, zählt Hans-Dieter Kamm auf. “Generell muss man das Tempo reduzieren, so ein Glockenspiel ist einfach langsamer. Und das Hauptproblem bleibt: Der Tonraum ist auf 25 Töne, also auf zwei Oktaven beschränkt”, sagt Hans-Dieter Kamm. Das sei auch der Grund, warum er Stücke improvisiere und eigene Stücke komponiere. „Es gibt einfach kaum mehrstimmige Lieder für das Glockenspiel.“ 

Für den ehemaligen Musiklehrer ist das Komponieren oder Umschreiben natürlich kein Problem: “Für den Schulchor habe ich früher schon Stücke komponiert, weil wir keine Tenöre hatten und die Mädchen dann alles singen mussten, wie auch immer wieder Orgelstücke.” Dem Musiker ist die Abwechslung wichtig: So erklingen über Heidelberg mal kurze Themen aus Bachs Bauernkantate oder aus dem „Freischütz“, aber auch ein vom Tango inspiriertes Stück oder Pop. Hans-Dieter Kamm und Uwe Hinze freuen sich, wenn die Stücke in den Stadtteil getragen werden. “So haben alle etwas von unserem Glockenspiel.” 

Foto: Hans-Dieter Kamm