Menschen
Rund 350 Menschen leben in dem Seniorenwohnstift am Bergpark Wilhelmshöhe und machen das Augustinum zu dem, was es ist: ein Ort der Vielfalt und des selbstbestimmten Lebens im Alter. Was das bedeutet, weiß Babette Schirmer, die seit gut sieben Jahren das Augustinum ihr Zuhause nennt. Hier findet Sie Unterstützung bei der Pflege ihres Mannes und kann nach einer Devise leben, die sie vor vielen Jahren in Venezuela gelernt hat …
Wer bei Babette Schirmer eingeladen ist, darf sich freuen: Nicht nur der Ausblick aus der Wohnung im Augustinum Kassel ist umwerfend, auch der frisch gepresste Orangensaft, den sie ihren Gästen anbietet, sucht seinesgleichen. Jede Woche bekommt Babette Schirmer eine Kiste Orangen aus Andalusien geliefert – eine Erinnerung an die Zeit, in der sie und ihr Mann an der Südküste Spaniens wohnten. Im Bücherregal befinden sich Tierfiguren aus hellem Holz, die sie aus Venezuela mitgebracht hat, wo sie und ihr Mann fünf Jahre lang gelebt haben. Die jung gebliebene 77-Jährige erinnert sich gerne an die Länder, die sie in ihrem Leben besucht hat. Und freut sich auf die, die sie noch bereisen wird.
Erst letztes Jahr war Babette Schirmer mit zwei ihrer Enkelkinder in Südafrika und hat einige Monate darauf mit einem Enkel die Straßen Berlins erkundet. Reisen gehört für die frühere Lehrerin einfach dazu: „Ich war schon immer sehr viel unterwegs. Manche Freunde haben mir gesagt: Du fliehst vor dem Leben. Dann war meine Antwort: Aber das ist mein Leben!“ Die Weltenbummlerin ist froh, dass das Augustinum Kassel seit sieben Jahren ihr neuer Heimathafen ist. Einerseits genießt sie die Freiheiten, die das Leben in der Seniorenresidenz bietet, andererseits bringt sie sich mit großem Tatendrang und kreativen Ideen in die Gemeinschaft ein. Einmal pro Jahr organisiert sie mit einer Gruppe engagierter Bewohnerinnen ein ganz besonderes Highlight: eine Oper als Schwarzlichttheater im Augustinum. Die zu führenden Puppen werden von den Bewohnerinnen selbst hergestellt und sind bis zu einen Meter groß.
Mit den aufwendig gestalteten Puppen, die bei Schwarzlicht bunt leuchten, inszenieren Babette Schirmer und ihr Team in Auszügen beliebte Opern und Musicals wie My Fair Lady oder Die Zauberflöte; die Musik kommt dabei vom Band. Zwei Monate vor der Aufführung beginnt die intensive Probenphase, dann nähen, basteln und proben die Damen der Operngruppe von morgens bis abends. Die besondere Schwierigkeit, die Puppen nach einer einstudierten Choreographie und synchron zum Gesang zu bewegen, meistern die Bewohnerinnen bei der Aufführung stets mit Bravour. Begeisterter Applaus ist garantiert.
„Das beflügelt einfach, wenn man Teil eines solchen Projekts ist, Teil von etwas Größerem“, schwärmt Babette Schirmer. Ihre stets positive Sicht der Dinge gibt ihr auch die Kraft, sich um ihren Mann zu kümmern, der an Demenz erkrankt ist. Das qualifizierte Pflegeteam des Augustinum entlastet sie dabei erheblich. Bis heute prägt die Optimistin ein Ereignis aus ihrer Zeit in Venezuela: „Meine Familie und ich warteten auf eine Fähre, und die kam und kam nicht. Es dauerte ewig. Wir haben uns furchtbar geärgert. Plötzlich fingen die Venezuelaner neben uns an zu klatschen und zu singen. Ihre gute Stimmung steckte an, alle waren mit einem Mal gut gelaunt, und die Zeit verging wie im Flug. Das habe ich von den Südamerikanern gelernt: Die Welt kann ich nicht ändern. Aber ich kann meine Einstellung dazu ändern und im Unabänderlichen Freude finden. Ich kann auch das Alter nicht ändern. Aber ich kann es mit einem Lächeln annehmen. So einfach kann es sein.“